Hunsrücker Galaxienjagd mit 3,5''

Alles was noch mit dem guten alten "Auge" erfasst wurde.

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Syrtis Major
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Hunsrücker Galaxienjagd mit 3,5''

Beitrag von Syrtis Major »

Hallo Freunde der Nacht,

nach vollzogener Überprüfung der Optik beim Händler mit Entspannung der Linsen in der Fassung durfte ich meinen 88er ED von William Optics mit zum Familienurlaub in den Hunsrück nehmen. Das Neumondwochenende glänzte natürlich durch bedeckten Himmel, erst am Montag (30.03.) wurde es besser mit allerdings immer noch großen durchziehenden Wolkenfeldern, bei jedoch zunehmendem Mond musste diese Chance genutzt werden. So stellte ich mich zwischen 20:00 und 2:00 Uhr auf einen namenlosen Berg nördlich von Horath mit etwas über 500 m Höhe.

An Okularen kamen das TS WA 38 (13x), Vixen LVW 22 (22x), Speers Waler 9,4 (52x) und das Speers Zoom mit Verlängerungshülse (ca. 90x bis 150x) zum Einsatz. Die beobachteten Objekte umfassten von allem etwas, jedoch überwiegend Galaxien:

Sonnensystem: Mond, Saturn
Doppelsterne: Rigel, Kastor
Planetarische Nebel: NGC 2392
Offene Sternhaufen: M37, M35, h und chi Persei, M48
Kugelsternhaufen: M3, NGC 5466, M13
Galaxien: M81, M82, M51 mit NGC 5195, M63, M94, M106, NGC 4490, NGC 4449, M65 und M66, M64, NGC 4494, NGC 4565

Zunächst wurde der neu erworbene Leuchtpunktsucher montiert und an den roten Warnlichtern eines fernen Windrads justiert. Danach erst mal Warten auf die nächste große Wolkenlücke. Bei noch hellem Mondlicht schließlich zuerst der Sterntest, der mit Bravour bestanden wurde. Endlich lehrbuchmäßige Scheibchen und Ringe ohne Verformung oder Eindellung. Auch bei 150x war der Fokus noch messerscharf zu finden und die Sterne nadelfein. Warum geht so was eigentlich nicht ab Werk?

Rigel war bereits bei 52x leicht getrennt, Kastor brauchte schon wenigstens 90x, noch besser eine leichte "Übervergrößerung" von 150x mit viel Platz zwischen den beiden weißgelben Hauptsternen, die schwächere Komponente schon in respektvollem Abstand. Auch die Mondsichel bot bei 150x einen sehr detaillierten und kontrastreichen Anblick, Saturn bei gleicher Vergrößerung ebenfalls wunderbar mit zwei Wolkenbändern und drei Monden bei wieder leichter Ringöffnung. Die Optik dürfte auch noch höhere Vergrößerungen vertragen. Als erstes richtiges Deep Sky Objekt wurde der Eskimonebel eingestellt, hier konnte auch bei 150x der Zentralstern vor dem hellen Zentrum nicht sichtbar gemacht werden, es zeigte sich lediglich die Zweiteilung mit dem schwächeren äußeren Halo.

Nach Vorbeizug der nächsten Wolkenfront ging es dann zu M81 und M82, erstaunlich wie schnell die per Leuchtpunktsucher eingestellt sind, kein Vergleich zum 8x50 Sucher mit grobem Vorpeilen über den Tubus. Beide Galaxien auch bei 52x noch sehr hell, M81 mit hellem Zentrum und drei Vordergrundsternen vor den Außenbereichen, M82 deutlich länglich und bereits mit angedeutet inhomogener Helligkeitsverteilung bei indirektem Sehen. Ein kurzer Sprung zu M51 und NGC 5195, bei 13x beide eher flau, bei 52x konnten beide Galaxienkerne vor einem gemeinsamen Halo gesehen werden.

Ein kurzer Sprung an den wolkenfreien Südwesthimmel zu h und chi Persei, wie immer prächtig, erst recht bei großem Gesichtsfeld, M37 ebenfalls wunderbar, im Vergleich zum 8" Dobson eigentlich nur kompakter wirkend, M35 mangels Öffnung jedoch schon etwas schütterer als sonst. M48 am Kopf der Wasserschlange kommt hingegen im kleinen Refraktor deutlich besser als im Dobson, die Sternenkette in der Mitte mit den gebogenen Ausläufern zum Rand hin ist schön zu erkennen, für große Öffnungen ist der Haufen einfach zu wenig konzentriert.

Bei einer großen Wolkenlücke im Bereich der Jagdhunde konnte es dann mit der Galaxienjagd weiter gehen. Bei M63 und M94 ließ sich der hellere Kern vor schwachem Halo erkennen, interessanter wurde es bei NGC 4490, hier konnte die gebogene Form eindeutig wahrgenommen werden, nicht jedoch die kleine Begleitgalaxie, was allerdings auch an der nicht berauschenden Grenzgröße um 5m7 gelegen haben mag. Bei der hellen NGC 4449 war das Erkennen der irregulären, rechteckigen Form wiederum kein Problem. Erstaunlich detailreich präsentierte sich M106, neben dem hellen Kern konnte bereits die asymmetrische Lage des Balkens ausgemacht werden, das hätte ich 3,5'' Öffnung vorher nicht zugetraut.

Die nächste Überraschung gab es beim Leo-Triplett, denn M65 und M66 waren nicht nur kleine Nebelfleckchen, sondern sahen deutlich unterschiedlich aus. M65 erschien eigentlich nur länglich, M66 aber zeigte bereits sein unregelmäßig strukturiertes Zentrum. Doch auch die hellsten Kugelsternhaufen sehen mit 3,5'' bereits wie solche aus. Bei M13, der inzwischen hoch genug heraus war, waren bereits die spinnenartigen äußeren Sternketten genauso erkennbar wie erste Einzelsterne im Bereich des Zentrums. Kein Vergleich zum 72er ED, den ich vor dem 88er hatte, hier war bei deutlich besseren Bedingungen M13 ein Matschfleck mit vier mühsam erarbeiteten Einzelsternen gewesen. M3 hingegen war jetzt auch für den 88er eine harte Nuß, erst mit viel indirektem Sehen blinkten die ersten Einzelsterne zaghaft hervor. Nicht weit von M3 liegt im Bootes der Kugelsternhaufen NGC 5466 mit der seltenen Konzentrationsklasse XII, also sehr lockerem Kernbereich. Den hatte ich im 8'' Dobson schon mal in Sonsbeck eingestellt, vor einem schwachen runden Nebel hatten sich vereinzelt schwache Einzelsterne gezeigt. Die waren natürlich jetzt nicht sichtbar, das Objekt war dennoch auch mit nur 3,5'' eindeutig zu schaffen.

Abschluß der Nacht wurden einige Galaxien in Coma Berenices. Die helle M64 war schnell gefunden, als nach außen scharf begrenzte Ellipse mit leichter Unregelmäßigkeit im Inneren, natürlich ohne dass das "Dunkle Auge" zu erkennen gewesen wäre. NGC 4565 war deutlich schwieriger anzusteuern, da die Orientierung im Coma-Sternhaufen schwer fiel. Nachdem endlich der kleine Nebelfleck von NGC 4494 gefunden war, konnte es per "Galaxienhopping" weitergehen. An der angegebenen Stelle im Karkoschka fand sich bei 13x jedoch zunächst nichts. Erst bei 22x tauchte ein Schemen auf, der sich bei 52x schließlich als deutlich länglich erwies. Bei indirektem Sehen wurde daraus eine feine Lichtnadel mit etwas hellerer Zentralverdickung - ein wunderbarer Anblick zum Ende, denn den noch geplanten Einstieg in den Virgo-Haufen verhinderte eine ausgedehnte Wolkenfront, die ich nicht mehr aussitzen wollte, da es zwischenzeitlich doch empfindlich kalt geworden war.

Festhalten möchte ich, dass der 88er ED endlich das bringt, was er bringen muß. Viele von Euch haben das "Drama" ja mitbekommen. Ich frage mich, ob die Qualitätssicherung bei William Optics aus Halbblinden besteht oder nur stichprobenartig geprüft wird. Überraschend für mich war, wie viel Deep Sky bereits mit 3,5" geht, insbesondere auch an Galaxien. Angetan bin ich vom neuen Leuchtpunktsucher, viele Objekte waren damit deutlich schneller aufzufinden als mit dem 8x50 Sucher auf dem Dobson. Natürlich sind 5 Grad wahres Gesichtsfeld beim 88er ED auch eine sehr gute Ergänzung, da kann der Dobson mit nur gut 2 Grad nicht mithalten.
Gruß und CS

Volkmar
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Stefan
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Beitrag von Stefan »

Hi Volkmar,

Ist ja mal wieder richtig goiler Bericht geworden, auch wenn die Bedingungen nicht all zu dolle waren ( für den südlichen Teil Deutschlands )

Und ist ja nun auch ein kleiner Erfolg das der Willi nun seinen Dienst tut. :-)


CS
Stefan
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Syrtis Major
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Beitrag von Syrtis Major »

Hi Stefan,

und danke für die Blumen, aber wenn ichs jetzt nochmals überfliege, habe ich doch wieder viel zu viel geschwallert. :roll:

Der Willi funktioniert jetzt wirklich tadellos, kein Vergleich zu vorher. :)
Gruß und CS

Volkmar
Matthias
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Re: Hunsrücker Galaxienjagd mit 3,5''

Beitrag von Matthias »

Hallo Volkmar,

danke für den schönen Bericht!
Syrtis Major hat geschrieben:Ich frage mich, ob die Qualitätssicherung bei William Optics aus Halbblinden besteht oder nur stichprobenartig geprüft wird.
Ich denke eher"weder noch" ...

Gruß

Matthias
Spieglein, Spieglein ...
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